Flüchtlinge zu allen Zeiten
Welche Menschen verbergen sich hinter den Überschriften und Zahlen, die wir in den Medien sehen?
Anhand von Geschichten von Flüchtlingen aus u. a. Deutschland, Ungarn, Vietnam, Afghanistan und Syrien macht die Ausstellung Zahlen zu Menschen und vermittelt die universellen Erfahrungen, Gedanken und Gefühle, die mit dem Flüchtlingsdasein verknüpft sind.
Wenn aus Zahlen Menschen werden
Sie begleiten uns auf eine menschliche Reise quer durch Ort und Zeit, die ihren Ausgangspunkt in der UN-Definition eines Flüchtlings nimmt. Mit Hilfe von interaktiven Elementen, Filmen, Tönen und Gegenständen begegnen Sie den Menschen, die sich von allem, was sie kennen, verabschieden und sich auf die Flucht begeben mussten. Sie folgen ihrer Flucht bis zur Ankunft in Dänemark und weiter zum Traum von einer neuen Zukunft, einem möglichen neuen Zuhause, aber auch zu Unsicherheit und Entbehrung.
Tableau aus der Ausstellung. Foto: Mike Bink
In diesen Jahren erlebt die Welt die größten Fluchtbewegungen aller Zeiten. Krieg und Verfolgung treiben Menschen zur Flucht, um zu überleben und Sicherheit und ein neues Zuhause zu finden. Aufrüttelnde Bilder füllen die Medien, Politiker führen hitzige Debatten und das Thema wird überall diskutiert. Daher begegnet man nicht nur Flüchtlingen aus früheren Zeiten im Museum FLUGT, sondern auch den Menschen, die seit dem Zweiten Weltkrieg u. a. aus Vietnam, Ungarn, Afghanistan, Syrien und der Ukraine nach Dänemark geflüchtet sind.
Installation aus der Ausstellung. Foto: Mike Bink
In der Ausstellung werden die großen Zahlen und Statistiken durch die Geschichte des einzelnen Menschen vermittelt. Ein Mensch mit Familie, Freunden, Arbeit, Freizeitinteressen und – nicht zuletzt – Träumen und Hoffnungen für die Zukunft.
Installation aus der Ausstellung. Foto: Mike Bink
Auf Ihrem Weg durch die Ausstellungen und die einzelnen Geschichten bewegen Sie sich von Krieg und Flucht zu potenzieller Sicherheit, Alltag und (vielleicht) zu einem neuen Zuhause. Die Ausstellungen vermitteln zudem, wie große Flüchtlingsströme im Empfängerland erlebt werden. Sämtliche Geschichten sind zeit- und ortsübergreifend.
Wir haben mit sehr vielen Flüchtlingen über die Gründe ihrer Flucht gesprochen. Über die Gedanken, die sich vor der Flucht gemacht haben. Bevor sie ihr Zuhause verlassen mussten. Diese Aussagen haben wir in dem Teil der Ausstellung zusammengefasst, in dem wir ihnen unmittelbar vor der Flucht in ihrem Zuhause begegnen. Beispielsweise dem Vietnamesen Noui, der flüchten musste, weil er im südvietnamesischen Heer gedient hatte. Oder Inge, die 1945 vor den vorrückenden russischen Truppen aus Deutschland flüchtete. Wir lernen auch Rahima kennen, die 2015 aufgrund des Syrienkrieges ihr Zuhause und ihr Land verlassen musste, und Mirela, die 1994 vor dem Bürgerkrieg in Jugoslawien flüchtete. Es handelt sich um ganz unterschiedliche Menschen mit grundverschiedenen Hintergründen und um ganz unterschiedliche Zeiten. Doch eines vereint sie alle: Äußere Umstände zwangen sie dazu, alles, was sie kannten und liebten, hinter sich zu lassen.
– Claus Kjeld Jensen, Museumsdirektor
Museumsdirektor Claus Kjeld Jensen in der Ausstellung
In der Ausstellung begegnen Sie …
Gihan,
… die gemeinsam mit ihrem Mann und drei Kindern in einem überfüllten Boot über das Mittelmeer floh und 2015 nach Dänemark kam. In Syrien hatte ihr Mann Hanan seinen eigenen großen Zimmereibetrieb und Gihan war Hausfrau – in Dänemark gestaltet sich ihr Alltag völlig anders. Hier arbeiten sie beide. Gihan machte zunächst ein sechsmonatiges Praktikum im örtlichen Kindergarten, wo sie viel von der Sprache lernte. Jetzt arbeitet sie in einem Supermarkt in Oksbøl.
In der Ausstellung berichtet sie, wie es ist, an einem anderen Ort komplett neu anzufangen, eine Ausbildung zu machen, einen Job zu finden und den Kindern eine Zukunft zu bieten.
Unser Zuhause ist hier in Dänemark. Anderthalb Monate nach unserer Ankunft bekamen wir dieses Haus in Billum. Da war dieses Sofa, ein Staubsauger und Essen im Kühlschrank. Ich fühlte mich vom ersten Tag an wie zu Hause. Wir fühlten uns sicher. Ich hoffe, dass der Krieg in Syrien endet, so dass wir zu Besuch kommen können, aber wir werden nie zurückziehen. Ich möchte nie wieder die Angst erleben, die wir auf diesem Boot hatten. Außerdem würden wir wieder ganz von vorne anfangen müssen. Das haben wir schon durchgemacht und es ist immer wieder schmerzhaft.
Sie erzählt, dass sie dank ihrer Arbeit jetzt die meisten Ortsbewohner kennt: „Wir bezeichnen uns nicht als Flüchtlinge, denn wir kennen ja jetzt die Leute im Ort.“
Gihan arbeitet im örtlichen Supermarkt
Ruth,
… die als Kind Anfang 1945 mit ihrer Mutter und Schwester aus Königsberg (heute Kaliningrad) nach Kopenhagen flüchtete. Es war eine schreckliche Flucht über die Ostsee mit Luftangriffen, U-Booten, Dunkelheit und extremer Kälte. Als sie in Kopenhagen ankamen, mussten sie in einer Halle Schutz suchen, da der Hafen bombardiert wurde. Nach einiger Zeit kamen sie ins Flüchtlingslager Oksbøl, wo Ruth in die Schule kam. Sie genoss den Frieden und den klaren blauen Himmel ohne Bomber und Luftalarme. Sie und die anderen Kinder spielten im Wald und in Oksbøl fühlte sie sich wie ein Vogel, den man endlich aus seinem Käfig befreit hatte.
Ruth als 14-Jährige nach ihrer Rückkehr nach Deutschland
Rahima,
… die zehn Jahre alt war, als der Krieg in Syrien ausbrach.
Ich hätte nie gedacht, dass es Krieg geben würde. Das war nur etwas, von dem ich in der Schule in Geschichte gehört hatte. Wir hörten zum Beispiel von Palästina. Ich dachte, dass es schrecklich für die betroffenen Länder war, und ich wollte Ärztin werden, um in den kriegsgeschädigten Ländern zu helfen.